Wenn Skandale das
Vertrauen erschüttern:
Eine Corporate Digital
Responsibility ist mehr
denn je gefordert
Urlaubsimpressionen über Social Media teilen, Konten effizient über eine App managen sowie die Heimelektronik bequem über Sprachassistenzsysteme steuern: Digitale Technologien gehören heute zum Alltag. Sie zeigen aber auch, dass Nutzerinnen und Nutzer durch die Preisgabe sensibler Informationen aus ihrem Privatleben gläsern werden. Da sie überdies nicht nachprüfen können, was die Unternehmen in ihren Rechenzentren mit den Daten machen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu vertrauen. Die Digitalökonomie ist eine Vertrauensökonomie.
Dieses Vertrauen wurde jedoch in der vergangenen Zeit massiv erschüttert: Von der illegalen Weitergabe ihrer Daten durch Facebook sind Millionen Menschen betroffen. Untersuchungsausschüsse gehen Vorwürfen von Wahlmanipulationen durch Social-Media-Plattformen nach. Hasskommentare im Internet haben zu neuen Regelungen wie dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz geführt, die die Social-Media-Plattformen in die Pflicht nehmen, rechtswidrige Inhalte schneller zu löschen. Es stellt sich demnach die Frage, wie verlorengegangnes Vertrauen zurückgewonnen werden kann und wie solche Gefahren zukünftig minimiert werden können. Oder anders formuliert: Wenn Daten das neue Öl sind, ist zu fragen, welcher Regulierungsrahmen und welche Sicherheitsvorkehrungen existieren müssen, um weitere Havarien zu verhindern. Die Antwort auf diese Frage muss doppelgleisig ausfallen: Auf der einen Seite ist der Gesetzgeber gefordert. So ist es zu begrüßen, dass eine Vielzahl von Ländern in den vergangenen Jahren ihre Wettbewerbsgesetze an die neu entstehenden digitalen Märkte angepasst hat. Durch die Datenschutz-Grundverordnung wurde überdies das Datenschutzrecht für die Europäische Union aktualisiert. Auch wird diskutiert, durch welche Maßnahmen ein Missbrauch durch Algorithmen verhindert werden kann – und ob marktmächtige Unternehmen nicht ähnlich wie Infrastrukturdienste reguliert und beaufsichtigt werden müssen.
Auf der anderen Seite sind die Unternehmen gefordert. Im Kontext ihrer CSR-Aktivitäten haben viele Unternehmen etwa im Umweltbereich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie nicht nur Problemverursacher sind, sondern dass sie zur Problemlösung beitragen können. Je weiter sich ihre Geschäftsmodelle und Angebote digitalisieren, desto mehr Verantwortung müssen sie allerdings für ihre Auswirkungen auf die digitale Welt übernehmen. Klassische CSR-Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Menschenrechte müssen demnach um die Corporate Digital Responsibility, eine digitale Verantwortung, erweitert werden.
Die Themen, um die es hierbei geht, können unter anderem aus den UN-Richtlinien zum Verbraucherschutz abgeleitet werden. Übertragen auf Corporate Digital Responsibility bedeutet dies:
Wenn Daten das neue Öl sind, ist zu fragen, welcher Regulierungsrahmen und welche Sicherheitsvorkehrungen existieren müssen, um weitere Havarien zu verhindern.
Zugang
Unternehmen sollten sich für einen besseren Internet-Zugang einsetzen. Denn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung verfügt bislang über keinen.
Wirtschaftliche Interessen
Unternehmen sollten Prinzipien wie die der Netzneutralität und der Neutralität von Suchergebnissen respektieren und fördern. Sie sollten Preise nicht individualisieren. Auch sollten sie die Art und Weise, wie Algorithmen Entscheidungen treffen, transparent machen und sicherstellen, dass diese nicht diskriminieren.
Haftung
Wenn autonome Systeme Entscheidungen treffen, existieren derzeit rechtliche Graubereiche, in denen unklar ist, wer bei einem Fehler haftet. Unternehmen sollten daher anwenderfreundliche Haftungsregime einführen.
Datenschutz und -sicherheit
Zwar werden mit der Datenschutz-Grundverordnung neue Spielregeln für die Datenverarbeitung etabliert. Unternehmen sind jedoch gefordert, diese Regeln nicht nur pflichtgemäß, sondern im Anwenderinteresse auszulegen. Hierzu gehören unter anderem nutzerfreundliche Einwilligungsmöglichkeiten, leicht verständliche Informationen über gespeicherte Daten (etwa durch Dashboards) oder die Förderung innovativer technischer Ansätze für den Datenschutz (etwa durch Privacy Bots).
Streitschlichtung
Im Geschäftsalltag kann es immer wieder zu Konfliktsituationen zwischen Anbietern und Nutzern kommen. Smart Contracts, das heißt selbstausführende Verträge, die automatisierte Rechtsfolgen auslösen, bieten in den Fällen, in denen ein Unternehmen seinen Pflichten nicht nachgekommen ist, eine effiziente Möglichkeit, dass Anwender zu ihrem Recht kommen, ohne erst Unmengen von Formularen ausfüllen zu müssen.
Diese Auflistung zeigt: Unternehmen müssen sich mit vielfältigen Themen befassen, wenn sie ihrer digitalen Verantwortung gerecht werden wollen. Doch die Corporate Digital Responsibility steckt noch in den Kinderschuhen. Ein Blick in die Nachhaltigkeitsberichte der DAX-30-Unternehmen zeigt, dass bisher nur sehr wenige Unternehmen Ansätze für digitale Verantwortung entwickeln. Dieses Handlungsdefizit gilt es abzustellen. Nur so werden die Nutzerinnen und Nutzer den digitalen Angeboten wirklich vertrauen können.