„Ich habe hier eine neue Familie“ – Aus dem Bürgerkrieg geflohen lebt Soulie eine echte Erfolgsgeschichte. Das neue Praktikum PLUS Direkteinstieg macht's möglich.
S oulie Bakr hat eine waghalsige Entscheidung getroffen: Sie hat ihre Heimat verlassen, um die gefährliche Flucht nach Deutschland zu wagen. Der blutige Bürgerkrieg in Syrien hat sie zu diesem schweren Schritt getrieben. Im frühen Morgengrauen musste sie aufbrechen und konnte sich nicht einmal mehr von den Eltern verabschieden. Das macht sie traurig. Doch ihr Mut hat sich gelohnt. „Ich habe hier eine neue Familie gefunden“, sagt Soulie dank eines neuen Arbeitsplatzes als Praktikantin bei der Telekom und netter Kollegen.
Ich habe hier eine neue Familie gefunden. Ich kann mich beim Team bedanken, sie haben mir viel geholfen.
Doch macht sie kein gewöhnliches Praktikum. Vielmehr ist sie Teil eines Pilotprojekts, des „Praktikum PLUS Direkteinstieg“, dass die Rahmenbedingungen von Flüchtlingen berücksichtigt. Was macht das Praktikum so besonders?
Für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertigte Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherstellen - das ist das vierte Nachhaltigkeits-Ziel der Vereinten Nationen.
Es ist uns wichtig, auch sozial benachteiligten Menschen einen Zugang zu hochwertiger Bildung zu ermöglichen. Das Pilotprojekt Praktikum PLUS Direkteinstieg ist ein Beispiel dafür. Außerdem fördern wir den Aufbau von Medienkompetenz und investieren viel in die Ausbildung und Entwicklung unserer Beschäftigten.
Praktikum PLUS Direkteinstieg ist eine Initiative der Telekom gemeinsam mit den DAX-Unternehmen Deutsche Post DHL Group, Henkel sowie der Bundesagentur für Arbeit. Mit dem Programm will die Telekom Flüchtlinge auch ohne anerkannte Berufsausbildung erfolgreich in den Arbeitsmarkt integrieren. Eine Riesen-Herausforderung, wie Barbara Costanzo weiß. Als Vice President Group Social Engagement bei der Deutschen Telekom betreut sie das Projekt: „Nicht nur die deutsche Sprache ist für viele Flüchtlinge eine große Barriere“. Barbara engagiert sich auch privat in der Flüchtlingshilfe. Sie kennt die Stolpersteine auf dem Weg zur Integration und weiß wie es den Menschen auf diesem Weg geht.
Fragen an...
Soulie Bakr Barbara CostanzoIch komme aus Syrien und ich bin hier seit drei Jahren in Deutschland.
Der Weg war natürlich unsicher. Aber was für mich echt schwierig war, war der Moment des Abschieds von meiner Familie. Und das könnte ich nicht noch einmal. Ich weiß nicht, wann ich noch mal meine Familie sehen kann. Meine Eltern haben verschlafen und ich bin früher aufgestanden und nach Deutschland aufgebrochen. Dieser Moment war für mich ein bisschen schwierig.
Ja, meine Schwester. Und ich habe auch eine kleine Nichte. Nur diesen beiden habe ich gesagt, ich gehe jetzt und ich konnte einfach nicht meinen Eltern tschüss sagen, diesen Moment möchte ich nicht erleben, es war für mich ein bisschen schwer.
„Praktikum plus Direkteinstieg“ ist ein Programm, das gemeinsam mit der Post DHL Group, Henkel und der Bundesagentur für Arbeit aufgesetzt worden ist. Es ist ein Programm, das über zweieinhalb Jahre läuft, das ist eher ungewöhnlich – außer Ausbildung gibt es nicht viele lange Programme bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Es ist aber sinnvoll, weil wir damit erreichen können, dass ein schrittweiser und langsamer Einstieg ins Berufsleben ‑ und damit auch ein Anstieg von Arbeitszeit und Verantwortung ‑ stattfinden kann. Das ist für viele wichtig, denn viele Flüchtlinge haben nebenbei noch Sprachkurse zu absolvieren und viele andere Dinge im bürokratischen Bereich, Wohnungssuche und so weiter.
Also ich kann jetzt nicht für ganz Deutschland sprechen. Ich kann für die Deutsche Telekom und unsere direkten Partner sprechen, wir sind ja auch in einem Netzwerk hier zusammen, da sind immerhin 190 Partner zusammengeschlossen. Dafür kann ich sagen, dass Direkteinstieg, also Bewerbung auf eine ausgeschriebene Position und dem deutschen Wettbewerb sich stellen, leider nicht funktioniert. Warum ist das so? - Das wird wahrscheinlich an ganz, ganz vielen unterschiedlichen Sachen liegen. Zum einen Bewerbungen über den normalen Weg. Also das heißt: Ausschreibung, Online-Bewerbung und so, weiter kommen die meisten Unternehmen nicht - wir auch nicht. Deshalb haben wir fast komplett umgestellt auf Facebook und Ehrenamtsakquise - oder auch Akquise über Menschen wie Soulie, die bereits bei uns arbeiten und die auch viele andere Flüchtlinge kennen. Das ist sicherlich ein Weg, aber wir bekommen gar keine Bewerbungen. Das andere ist: Viele Zeugnisse sind nicht anerkannt, oder der Weg ist ewig lang, bevor Berufserfahrung oder Zeugnisse anerkannt werden.
Also das ist natürlich die große weite Welt, sowohl bei den vielen Angeboten, die wir machen, als auch bei den Menschen, die kommen. Einige haben einschlägige Berufserfahrung, also gerade im IT-Umfeld. Es gibt nicht so wenig Menschen, beispielsweise aus Syrien und aus dem Irak, die in der Richtung etwas studiert haben oder Berufserfahrung haben. Wir sind aber auch an Menschen interessiert, die nur so etwas wie - nennen wir es einmal so – eine Affinität haben. Die zum Beispiel einen Mobilfunkshop hatten oder Ähnliches und wo wir dann im Praktikum schauen: Könnte derjenige nicht auf eine Ausbildung oder Ähnliches passen? Praktikum ist ja insgesamt nicht nur da, um bei uns einzustellen, sondern um zum einen Mut zu machen und aus einer längeren Wartephase endlich mal wieder was zu machen, was mit normalem Alltag zu tun hat. Und zum anderen, um damit natürlich auch die Attraktivität zu steigern für beispielsweise den Mittelstand, der noch einmal ganz andere Möglichkeiten hat.
Ich fange mal mit dem Zweiten an: Also was besonders gut läuft, ist, dass es vor allem den Führungskräften und Teams viel, viel leichter fällt, als man vielleicht denkt. Also bevor wir das Projekt gestartet haben, haben wir viel über Trauma und Integration und kulturelle Unterschiede und so weiter gesprochen. Also da muss ich sagen, wir haben dazu eigene Unterstützungsangebote aufgesetzt, die aber kaum angefragt werden, also das läuft einfach super und wir haben nie Probleme, Plätze zu finden. Das ist wirklich fantastisch und freut mich ganz besonders, denn ich finde, dass es gerade für diese Zielgruppe wichtig ist, dass nicht Quoten vergeben werden und man dann gezwungen ist, jemanden ins Team aufzunehmen. Es gibt viele Herausforderungen – Soulie, du wirst das bestätigen –, und Sprache ist und bleibt ein ganz großes Thema. Das bedeutet, dass, selbst wenn die Prozesse schneller laufen, beispielsweise die Asylanträge schneller bearbeitet werden, uns das Problem bleibt, dass die Sprache, das Erlernen einer komplett anderen Sprache, teilweise einer anderen Schrift, einfach seine Zeit braucht, und das ist schwierig, also im Umfeld Deutsche Telekom schwierig, wenn Englisch oder Deutsch noch erlernt werden müssen. Es gibt aber auch viele bürokratische Prozesse, beispielsweise die Wohnsitzauflage, die es gar nicht einfach macht, Menschen dort einzusetzen, wo wir vielleicht einen Platz haben.
Meine Aufgaben sind Administration und diverse Tools und Bestellsysteme für internen und externen Kundenservice. Außerdem auch die Bearbeitung von Nachfragen, Reklamationen, Eskalationen. Und was man dazu wissen braucht, man soll IT-Kenntnisse haben, die deutsche Sprache natürlich, und auch System-Datenanalyse. Und hier kann ich mich bei meinem Team bedanken, sie haben mir viel geholfen, das System kennenzulernen.
Die Arbeit dort gefällt mir sehr. Die Leute sind zur mir sehr nett und eigentlich habe ich hier eine neue Familie kennengelernt. Echt, das freut mich. Am Anfang habe ich das Motto von der Telekom bemerkt, „Life is for Sharing“. Das ist auch mein Lebensmotto. Ich finde, die Welt ist sehr groß und wir können miteinander sehr gute Arbeit anbieten, und das war der Grund, warum ich eigentlich hier bin. Und ich bedanke mich für diese Chance.
Neue Tastatur (lacht) und besonders die Taste „Z“, weil ich auf der englischen Tastatur mich oft gefragt habe „Wo ist das verdammte ‚Z‘?“ (lacht). Das habe ich mir angewöhnt, das ist für mich neu. Und natürlich der Betriebszweig. Zum Beispiel gibt es dort vielen Textilunternehmen und das ist etwas ganz anderes. Aber das Prinzip ist gleich, Kundenservice ist gleich, das Motto ist gleich, Kunden haben recht. Und meine netten Kollegen haben mir viel geholfen, das System kennenzulernen. Das war sehr schwer.
Insgesamt natürlich Frieden für Syrien natürlich. Ich finde die Leute sind jetzt sehr, sehr müde und ich kann verstehen, was sie fühlen. Wir sind hier in Deutschland echt glücklich. Wir haben hier unser Recht, wir haben hier alles. Es gibt kein Land wie Deutschland, das zum Beispiel Ausbildung anbietet, oder es gibt viele verschiedene Chancen und man braucht nur die Chance entwickeln. Aber die Leute aus Syrien oder Jordanien sind müde. Sie können, glaube ich, nicht mehr den Krieg ertragen. Aber mein persönlicher Wunsch ist natürlich, meine Familie abzuholen. Ich vermisse meine Familie. Ich möchte meine Familie auch natürlich sehen. Und ich hätte gerne auch eine gute Arbeit hier noch, weil: Wenn jemand gut zu dir ist, soll man auch der anderen Seite etwas Gutes zurückgeben. Und das ist mein Wunsch.
Unbedingt. Das ist vollkommen außer Frage. Ich profitiere sehr, weil ich glaube, dass man im Ehrenamt, dadurch, dass man den Menschen ja noch mal näher kommt als im Programm im Arbeitsleben, erfährt man eben, was es wirklich bedeutet, zum Beispiel ein Asylverfahren zu durchlaufen, oder was es bedeutet, keine Wohnung zu finden, obwohl man eigentlich endlich darf. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist, um zu verstehen, welche Unterstützungsangebote man auch beim Arbeiten braucht, um sich konzentrieren zu können, und Integration insgesamt, und nicht nur in einem Feld im Leben zu leben.
Vor welchen Herausforderungen das Programm steht, wie Barbara mit ihnen umgeht, wie ihr privates Engagement ihre Sicht verändert, und was Soulies größter Wunsch ist, beantworten Barbara und Soulie im Interview.